Möglichst langfristige Partnerschaft mit Softwareherstellern, ist das ein Kaufkriterium?
Gibt es die Softwarefirma auch noch in 10, 20 Jahren und kann der Kunde dann noch mit der Software arbeiten?
Eine Frage, die sich oft in den Köpfen der Käufer befindet: Wie langfristig ist die Anschaffung, die ich gerade tätigen möchte?
Bei der Anschaffung von neuer Software werden neben sinnvoller Hilfestellung, Kosten-Nutzen-Verhältnis und Servicemöglichkeiten auch immer wieder Fragen betrachtet, auf die es nicht immer eine Antwort gibt. Eine davon ist die sehr oft gestellte Frage "Gibt es das Unternehmen bzw. die Software in zehn Jahren auch noch?" oder "Wird hier eine langfristige Geschäftsbeziehung sichergestellt?". Diese Kunden haben meist noch nie etwas von der sogenannten "Softwarealterung" gehört.
Der Vertrieb hat meist "schön klingende Antworten" auf derartige Fragen
Diese Fragen werden vor allem im Vertrieb gerne mit vielen gut klingenden Antworten und Ausführungen entkräftet.
Große Unternehmen bringen gerne die Anzahl ihrer Mitarbeiter oder die Verbreitung ihrer Software als Argument für langfristige Zusammenarbeit
Große Unternehmen, die weltweit agieren bewerben ihre Software und ihren Service sie gerne betonen die Anzahl Mitarbeiter, die hinter dem Produkt stehen, die Umsatzzahlen des Unternehmens, das das Produkt herstellt und/oder vertreibt oder aber auch die Anzahl Jahre, die der Hersteller bereits auf dem Markt ist hervorheben, als wäre all dies oder das ein oder andere davon ein valides Argument dafür, dass eine jahrzehntelange Bindung garantiert werden könne.
Jedoch: betriebswirtchaftliche Lehren sprechen von Softwareeinsatzdauern von circa fünf bis zehn Jahren
Die durchschnittliche Softwareeinsatzdauer ist fünf bis zehn Jahre (beispielsweise laut Hargraves aus "Strategieplanung für die Technische EDV" des Authors Wolfgang Lindheim).
Die Wissenschaft beschäftigt sich schon mindestens seit den 1990'er Jahren mit dem Phänomen der sogenannten Softarealterung
Selbst wenn alle Versprechen, die der Vertrieb ausspricht gehalten würden, schlüge trotz der versprochenen wirtschaftlichen Komponenten, die auf Langfristigkeit abzielen (viele Kunden, weltweit großes Unternehmen, wirtschaftlich stabile Situation des Unternehmens, kein Verkauf des Softwareunternehmens, usw.) im Laufe der Jahre das Phänomen der sogennanten Softwarealterung zu.
Softwarealterung erkennen Sie durch folgende Merkmale (siehe auch folgender Artikel mit Referenzierungen aus der Wissenschaft von Wiebke Kappenberg, Paul Drews)
- Ressourcenverbrauch - Bei alter Software nimmt der Ressourcenverbrauch (insbesondere der Speicherverbrauch) zu.
- Verfügbarkeit - Die Ausfallwahrscheinlichkeit nimmt aufgrund von Fehlern zu und die Verfügbarkeit der Software nimmt ab.
- Fehler - Im Laufe der Zeit entstehen durch häufige Änderungen mehr Fehler, wiez. B. arithmetische Rundungsfehler oder Systemfehler.
- Performance - Die Performance nimmt im Laufe derZeit ab, weil z. B. der Speicher nicht korrekt freigegeben wird.
- Antwortzeit - Aufgrund der zunehmenden Programmkomplexität können Antworten länger dauern und fehlerhaft sein.
- Softwarequalität - Die Softwarequalität (Funktionalität, Zuverlässigkeit, Effizienz, Wartbarkeit, Übertragbarkeit) nimmt im Laufe derZeit durch häufige und inkonsistente Änderungen ab.
Kurzum: Auch wenn die Grundvoraussetzung für einen "Verdacht" auf eine langfristige Einsatzmöglichkeit gegeben ist...
...so ist das dennoch eine nicht zuverlässig und seriös zu beantwortende Frage. Ist ein Softwarelieferant bereits seit mehreren Jahren auf dem Markt aktiv und verfügt über einen gewisse Menge an validierten renommierten Referenzen ist es trotz allem eine Herausforderung, eine derartige Fragestellung zuverlässig zu beantworten.
Egal, was man an Argumenten von verschiedenen Softwarelieferanten hört, jedes Argument lässt sich entkräften. Es passiert viel auf dem Markt, die bei den Argumenten der Softwarealterung nicht erwähnt werden:
Große Hersteller kaufen kleine Hersteller. Werden kleine Hersteller gekauft, ist nicht sichergestellt, wie es weitergeht mit ihren bisherigen Entwicklungen.
Kleine Hersteller geben das Geschäft auf und finden keine interessierten Unternehmen, die es weiterführen möchten.
Firmen ändern ihre bisher verfolgten Pfade und entwicken ihre Produkte in Richtungen, in die der Kunde nicht unbedingt mitgehen möchte.
Einst hervorragende und genau passende Software kommt schlichtweg in die Jahre und kann moderne Anforderungen - sei es technisch oder auch inhaltlich - nicht mehr erkennen oder umsetzen. Manchmal verpassen die Hersteller auch den Anschluss an die Entwicklungen am Markt.
Als Fazit ist festzustellen, dass die Frage nach der langfristigen Zusammenarbeit niemals richtig beantwortet werden wird können.
Was aber kann man tun, wenn die Langfristigkeit des Einsatzes einer Software soweit wie möglich sichergestellt werden soll?
Verlangen Sie den Quellcode und hinterlegen diesen bei einem Notar für den eigenen Einsatz im Falle des Falles wenn ein Softwarehersteller nicht weiterentwickeln kann.
Dokumentieren Sie Ihre Softwareprozesse und -abläufe, so dass diese nötigenfalls in eine neue Software leichter übernommen werden können.
Fragen Sie nach der Anzahl der Kunden des Herstellers und machen Sie sich die Mühe, Referenzen des Herstellers durchzutelefonieren.
Prüfen Sie, wie lange der Hersteller schon am Markt ist. Das zeigt zwar nicht, was morgen sein wird, gibt aber eine Indikation über die bisherige Langfristigkeit.
Sichern Sie in regelmäßigen Abständen Ihre Daten in einem Format, das von anderen Dritten leicht zu verarbeiten wäre.
Mit einem bewußten Blick in die Zukunft können Unternehmen trotzdem Vorsorge tragen, sollten dabei jedoch stets offen für Neues bleiben
Wenn Sie alle Maßnahmen ergriffen haben, die Sie bestmöglich für die Zukunft wappnet, stellen Sie sich dabei auch darauf ein, dass Sie möglicherweise keine Dekaden lang dieselbe Software nutzen werden. Und hören Sie auf sich zu fragen, ob ein Softwarehersteller auch in 10 oder 20 Jahren noch ihr Softwarehersteller sein wird. Diese Frage wird Ihnen nur die Zeit beantworten können. Auch ist es nicht immer erstrebenswert, um jeden Preis beim selben Softwarehersteller zu bleiben.
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